PFLICHTTEILS- UND PFLICHTTEILSERGÄNZUNGSANSPRUCH

Pflichtteilsansprüche werden häufig ausgelöst durch das "Berliner Testament", bei Patchwork-Familien und bei lebzeitigen Zuwendungen an eines von mehreren Kindern, z.B.

die Eheleute Müller haben ein sog. "Berliner Testament " errichtet und sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Die Kinder sollten erst nach dem Ableben des letzten Elternteils erben (Schlusserben). Sohn Max macht nach dem Tod des 1. Elternteils Pflichtteilsansprüche geltend.

oder

Herr Müller ist in 2. Ehe verheiratet und hat seine 2. Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Die Kinder aus 1. Ehe von Herrn Müller machen Pflichtteilsansprüche gegenüber der 2. Ehefrau geltend.

oder

Herr Müller hat zu Lebzeiten auf die Tochter Eva sein Wohnhaus übertragen und sich ein Nießbrauchsrecht vorbehalten. Nach dem Tod von Herrn Müller macht Sohn Max Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.


1. Was ist ein Pflichtteil ?

Der Pflichtteil ist der Mindestanspruch, den der Erblasser seinen Kindern, Ehegatten und Eltern grundsätzlich nur unter besonderen Voraussetzungen entziehen oder beschränken kann.

Das Pflichtteilsrecht besteht lediglich in einem schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

2. Wer ist pflichtteilsberechtigt ?

Pflichtteilsberechtigt sind Abkömmlinge, adoptierte Kinder, die Eltern , der Ehegatte und Lebenspartner.

Ehegatten steht kein Pflichtteilsrecht zu, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung vorlagen und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.

Entfernte Abkömmlinge, z.B. Enkel - und die Eltern des Erblassers, sind insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als (nähere) Abkömmlinge vorhanden sind, die diese Personen im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würden. Z.B. steht kein Pflichtteil den Enkeln zu, wenn die Kinder noch leben.

Kein Pflichtteil steht auch den Eltern zu, wenn der Erblasser eigene Kinder hatte.

Nicht pflichtteilsberechtigt sind Geschwister, Großeltern und die anderen Verwandten des Erblassers.

Kein Pflichtteil steht Personen zu, die rechtswirksam auf ihren Pflichtteil verzichtet haben, die den Erbteil oder die Erbschaft ausgeschlagen haben, wobei für Ehegatten eine Sonderregelung gilt.

Der Pflichtteil kann entzogen werden - u.a., wenn der Abkömmling dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, dem anderen Abkömmling oder einer dem Abkömmling des Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben getrachtet hatte. Bei Verbrechen oder schweren vorsätzlichen Vergehen und - neu eingeführt - Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zu mindestens einem Jahr ohne Bewährung.


3. Wie hoch ist der Pflichtteil ?

Der Pflichtteilsanspruch ist auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet, die der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils entspricht. Maßgeblich ist der Geldwert des Nachlasses.

4. Was ist ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ?

Schenkungen des Erblassers schmälern dessen Vermögen. Um zu verhindern, dass durch Schenkungen das Vermögen des Erblassers zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten geschmälert wird, sieht das Gesetz vor, dass neben dem Pflichtteilsanspruch ein so genannter Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht, der die lebzeitigen Schenkungen fiktiv in den Nachlass einrechnet. Es werden allerdings nur die Schenkungen innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Todesfall berücksichtigt.

NEU:
Pro-Rata-Lösung für Erbfälle nach dem 1.1.2010

Die Schenkungen werden für den Pflichtteilsergänzungsanspruch graduell immer weniger berücksichtigt, je länger sie zurückliegen.

Die Schenkung, die innerhalb des ersten Jahres vor dem Todesfall erfolgt ist, wird in vollem Umfang angerechnet. Für jedes weitere Jahr reduziert sich der Anteil um 1/10, so dass Schenkungen, die im 10. Jahr vor dem Erbfall stattgefunden haben, nur noch mit 1/10 berücksichtigt werden.
Bei Schenkungen an Eheleute beginnt die Frist erst mit der Auflösung der Ehe zu laufen.

5. Muss der Pflichtteil sofort ausbezahlt werden ?

Jeder Erbe kann die Stundung verlangen, wenn die Erfüllung des Pflichtteils für ihn eine unbillige Härte darstellt und die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen berücksichtigt wurden. z.B. besteht der Nachlass im Wesentlichen aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, das für die Familie die Lebensgrundlage bietet, mussten die Erben diese Vermögenswerte oft verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Nach NEUEN Recht ist die Stundungsmöglichkeit für jeden Erben erleichtert. Es sind aber immer auch die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

6. Wann verjährt der Pflichtteil ?

Der Pflichtteil verjährt in 3 Jahren. Seit der Pflichtteilsreform beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Kalenderjahres, in welchen der Pflichtteilsanspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte davon Kenntnis erlangt hat.


Es bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten durch lebzeitige oder letztwillige Verfügungen die Pflichtteilsansprüche auszuschließen oder zumindest erheblich zu reduzieren. Dies setzt aber eine rechtzeitige und vorausschauende Planung voraus.